„… ist nicht nur das Produkt ausschlaggebend, sondern das Ökosystem rund ums Auto.“ Im Interview mit Markus Duesmann, Vorsitzender des Vorstands und Vorstand für Baureihen, AUDI AG
Audi ist im Volkswagen Konzern maßgeblich daran beteiligt, die Zukunft der Elektromobilität erfolgreich zu gestalten. Lesen Sie im zweiten Teil unseres Interviews mit Markus Duesmann, dem Vorsitzenden des Vorstands bei der AUDI AG sowie Vorstand für Baureihen, worauf es bei der Transformation hin zur Elektromobilität ankommt.
Was wünschen Sie sich für den Transformationsprozess der Automobilindustrie? Wie tragen Sie als Audi-CEO dazu bei?
Ich stehe für Technologieklarheit. E-Mobilität ist mit Blick auf den Wirkungsgrad der mit Abstand effizienteste Weg zu Defossilisierung der individuellen Mobilität. Deshalb müssen wir unsere Kräfte auf eine Antriebsart und die entsprechende Infrastruktur konzentrieren. Denn wir haben keine Zeit zu verlieren – der Klimawandel duldet keinen Aufschub.
Neben der Ladeinfrastruktur haben viele Kund_innen noch Bedenken bezüglich der Reichweite von E-Autos. Stichwort „Reichweitenangst“. Ist das berechtigt?
Ganz klar, das E-Auto ist auf der Langstrecke angekommen und absolut alltagstauglich. In punkto Reichweite schafft zum Beispiel der Q4 e-tron (Anm. d. Red.: Stromverbrauch in kWh/100 km (NEFZ): kombiniert 18,3–15,0; CO₂-Emission in g/km: kombiniert 0; Effizienzklasse: A+++)¹⁾ mit Heckantrieb bis zu 528 Kilometer (gemäß WLTP). Der Audi A6 e-tron concept (Anm. d. Red.: Es handelt sich um ein Konzeptfahrzeug, das nicht als Serienmodell verfügbar ist), ein Ausblick auf unsere Premium Platform Electric, hat eine Reichweite von circa 700 Kilometern (gemäß WLTP). Generell wird das Thema Reichweite aus meiner Sicht aber mit Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur an Bedeutung verlieren.
Welches Ökosystem planen Sie rund um die Audi E-Modelle?
Mit dem Übergang zu E-Mobilität und automatisiertem Fahren ist stärker als bisher nicht nur das Produkt ausschlaggebend – sondern das Ökosystem rund ums Auto. Damit erhöhen sich die Kundenkontaktpunkte exponentiell – an diesen Kontaktpunkten setzen wir an. Im ersten Schritt heißt das: Wir werden E-Mobilität insgesamt attraktiver machen, beispielsweise mit unseren Angeboten rund um das Laden. Das Ökosystem wird perspektivisch Services und Erlebnisse in vielen weiteren Lebensbereichen neben der reinen Mobilität umfassen.
Welche digitalen Angebote sind für Audi Kund_innen besonders interessant?
Digitalisierung gibt uns die Möglichkeit, das Auto noch präziser auf die individuellen Bedürfnisse der Fahrer_innen zuzuschneiden – angefangen von einer personalisierten User Journey über individuell buchbare Services bis hin zu persönlichen Profilen im Auto. Ein Beispiel sind unsere Functions on Demand, also Funktionen, die die Kund_innen auch nach Kauf des Autos hinzubuchen können. Diese Upgrades, zum Beispiel im Bereich „Licht“ oder „Navigation“, erfolgen dann ganz einfach „over-the-air“.
„Studien zeigen, dass viele Autofahrende bestimmte Situationen im Straßenverkehr als belastend empfinden. In selbstfahrenden Autos könnten sie wählen.“
Markus Duesmann
Vorsitzender des Vorstands und Vorstand für Baureihen, AUDI AG
Das Jahrhundert der Verbrenner geht zu Ende – viele Firmenflotten setzen aktuell jedoch nach wie vor auf konventionelle Antriebe. Wie lange werden Sie noch klassische Diesel- und Ottomotoren im Angebot haben?
Wir haben entschieden, dass wir 2033 die Produktion unserer letzten Verbrenner sukzessive beenden. Und diesen Abschied wollen wir unseren Kund_innen so schön wie möglich machen. Deshalb stecken wir weiterhin unser Herzblut in die Weiterentwicklung unserer Verbrennermodelle hin zu mehr Effizienz und Performance. Firmen- und Flottenkunden werden wir also weiterhin ein hochattraktives Angebot machen. Denn unsere letzten Verbrenner werden unsere besten sein.
Was bedeutet das konkret für die beliebten Dienstwagen Audi A4 und Audi A6?
Beide werden in den nächsten Jahren noch einmal einen Nachfolger auch mit Verbrennungsmotor erhalten. Was Leistung und Wirkungsgrad angeht, werden wir das größtmögliche Potenzial zur Optimierung herausholen und sie auch konsequent an den Kundenanforderungen aus dem Flottenbereich weiterentwickeln.
Sie haben ein extrem starkes, vollelektrisches Straßenfahrzeug von Audi Sport präsentiert …
… Sie meinen den Audi RS e-tron GT (Anm. d. Red.: Stromverbrauch in kWh/100 km (NEFZ): kombiniert 18,3–15,0; CO₂-Emission in g/km: kombiniert 0; Effizienzklasse: A+++)¹⁾.
Welche Kund_innen sprechen Sie damit an?
Das Fahrzeug steht für den Aufbruch in eine neue Ära – wir bei Audi nennen ihn unsere elektrische Speerspitze. Auch wenn der Gran Turismo auf eine relativ spitze Zielgruppe trifft, ist er definitiv ein Liebhaberauto für Menschen, die an eine elektrische Zukunft glauben und das für Audi typische Design, die Qualität und Anmutung in Kombination mit Alltagstauglichkeit schätzen.
Stichwort Autonomes Fahren – nahezu alle Automobilhersteller haben dazu in der Vergangenheit vollmundige Versprechungen gemacht, dennoch gibt es nach wie vor viele offene Fragen, die die Freischaltung verhindern. Wann werden wir tatsächlich autonom fahren können/dürfen?
Sich heute auf ein konkretes Jahr festzulegen ist schwierig bis unmöglich. Wir werden schrittweise in bestimmten Situationen oder Gebieten höhere Automatisierungsgrade als heute auf dem Markt sehen. In der großen Fläche werden in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts Autos auf der Straße sein, die Teilstrecken hoch-automatisiert fahren können. Die Technologie, die dafür notwendig ist, ist extrem komplex.
Viele Menschen fahren sehr gerne Auto. Warum ist autonomes Fahren überhaupt erstrebenswert?
Ich denke, hier geht es stark darum, die Wahl zu haben. Der Fahrende hat die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wie er von A nach B gelangen möchte. Studien zeigen, dass viele Autofahrende bestimmte Situationen im Straßenverkehr als belastend empfinden. Für viele ist es auch schlichtweg eine Zeitverschwendung. In selbstfahrenden Autos könnten sie wählen. Gerade für Dienstwagenfahrende hat das große Vorteile. Wer regelmäßig weite Strecken oder auf der Autobahn fährt, könnte hier enorm profitieren.
Voraussetzung für ein Smart Car ist sicherlich ein einheitliches Betriebssystem, das dann in alle Konzernmodellen zum Einsatz kommt – was ist da geplant?
CARIAD entwickelt die Software-Plattform E³ 2.0 für alle Konzernfahrzeuge. Sie schafft die Grundlage für ein ganz neues digitales Ökosystem, neue datenbasierte Geschäftsmodelle und autonomes Fahren. Bis 2030 wird sie in bis zu 40 Millionen Fahrzeugen im Konzern eingesetzt werden. Bereits im nächsten Jahr setzt die Software-Plattform Premium E³ 1.2 ein, mit welcher wir einen großen Sprung nach vorne machen werden.
Herr Duesmann, was sind Ihre persönlichen Ziele für die nächsten Jahre. Was treibt Sie an? Wohin geht die Reise von Audi?
Als Ingenieur bin ich fest davon überzeugt, dass wir viele Probleme auf der Welt mit Technik lösen können. Insofern sehe ich, welchen enormen Beitrag die Automobilindustrie mit technischen Innovationen im Kampf gegen den Klimawandel leisten kann. Unser Anspruch bei Audi und auch für mich persönlich ist es, den Menschen auch in Zeiten des Klimawandels die Freiheit individueller Mobilität zu ermöglichen. Das ist für uns eine Riesenchance, Teil der Lösung zu sein!
Lesen Sie im ersten Teil unseres Interviews mit Markus Duesmann, warum die Zukunft der Mobilität elektrisch ist.
- Markus Duesmann wurde am 23. Juni 1969 in Heek/Nordrhein-Westfalen geboren. Im Jahr 1991 schloss er sein Maschinenbau-Studium an der FH Münster als Diplom-Ingenieur ab.
- Seine berufliche Laufbahn begann 1992 als Konstrukteur V12 Serienmotor bei Mercedes-Benz in Stuttgart. 1995 wechselte er zum Entwicklungsdienstleister FEV GmbH nach Aachen und hatte dort verschiedene Funktionen inne, zuletzt Spartenleiter Motormechanik.
- 2004 übernahm er die Position des Hauptabteilungsleiters für neue Dieselmotoren bei der DaimlerChrysler AG in Stuttgart und wurde 2005 Leiter Entwicklung Formel 1 bei Mercedes-Benz in Brixworth in UK.
- Im Jahr 2007 trat er als Leiter Formel 1 Antrieb in die BMW AG ein. Nach mehreren verantwortlichen Funktionen im Unternehmen wurde Duesmann im Oktober 2016 zum Mitglied des Vorstands für Einkauf und Lieferantennetzwerk der BMW AG berufen. Diese Funktion hatte er bis Juli 2018 inne.
- Der Aufsichtsrat der AUDI AG hat Markus Duesmann mit Wirkung zum 1. April 2020 zum Vorsitzenden des Vorstands der AUDI AG bestellt. Gleichzeitig wurde er zum Konzernvorstand mit Verantwortung für die Konzernforschung und -entwicklung bestellt. Zusätzlich ist er mit der Verantwortung für das China-Geschäft der AUDI AG und mit der Leitung des Vorstandsressorts für Baureihen der AUDI AG betraut.
1)Die angegebenen Verbrauchs- und Emissionswerte wurden nach den gesetzlich vorgeschriebenen Messverfahren ermittelt. Seit dem 1. September 2017 werden bestimmte Neuwagen bereits nach dem weltweit harmonisierten Prüfverfahren für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure, WLTP), einem realistischeren Prüfverfahren zur Messung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen, typgenehmigt. Ab dem 1. September 2018 wird der WLTP schrittweise den neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) ersetzen. Wegen der realistischeren Prüfbedingungen sind die nach dem WLTP gemessenen Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Emissionswerte in vielen Fällen höher als die nach dem NEFZ gemessenen. Dadurch können sich ab 1. September 2018 bei der Fahrzeugbesteuerung entsprechende Änderungen ergeben. Weitere Informationen zu den Unterschieden zwischen WLTP und NEFZ finden Sie unter www.audi.de/wltp.
Aktuell sind noch die NEFZ-Werte verpflichtend zu kommunizieren. Soweit es sich um Neuwagen handelt, die nach WLTP typgenehmigt sind, werden die NEFZ-Werte von den WLTP-Werten abgeleitet. Die zusätzliche Angabe der WLTP-Werte kann bis zu deren verpflichtender Verwendung freiwillig erfolgen. Soweit die NEFZ-Werte als Spannen angegeben werden, beziehen sie sich nicht auf ein einzelnes, individuelles Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebotes. Sie dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen. Zusatzausstattungen und Zubehör (Anbauteile, Reifenformat usw.) können relevante Fahrzeugparameter, wie z. B. Gewicht, Rollwiderstand und Aerodynamik verändern und neben Witterungs- und Verkehrsbedingungen sowie dem individuellen Fahrverhalten den Kraftstoffverbrauch, den Stromverbrauch, die CO2-Emissionen und die Fahrleistungswerte eines Fahrzeugs beeinflussen.
Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen“ entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der DAT Deutsche Automobil Treuhand GmbH, Hellmuth-Hirth-Str. 1, D-73760 Ostfildern oder unter www.dat.de unentgeltlich erhältlich ist.
Stand: 23.05.2022
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