Ein Kundentermin hier, eine Messe dort und dann vielleicht noch der Flug zum Business Meeting in Übersee – eine Frage, die damit oft einhergeht, lautet: Ist die Reisezeit auch Arbeitszeit und falls ja, wie wird sie vergütet? Eine pauschale Antwort gibt es nicht, aber …
Grundsätzlich gilt, dass Arbeitszeit die Zeitspanne ist, während der Arbeitnehmende ihre Arbeitskraft dem Arbeitgebendem zur Verfügung stellen. Also die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen, so § 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) – wobei sich aus einzel- und tarifvertraglichen Regelungen sowie aus Betriebsvereinbarungen gegebenenfalls Abweichungen ergeben können. Die Wegezeit zur Arbeit wird dabei übrigens nicht berücksichtigt.
Wann beginnt die Arbeitszeit?
Die Arbeitszeit beginnt nicht zwingend mit dem Betreten des Betriebs. Sie startet in der Regel vielmehr erst mit der Aufnahme der tatsächlichen Arbeitsleistung des betreffenden Arbeitnehmenden an seinem Arbeitsplatz. Während die Materialausgabe oder das Reinigen des Arbeitsplatzes zu Beginn oder Ende der Arbeit zur Arbeitszeit hinzuzählen, gehören Waschen oder Umkleiden nur dann dazu, wenn sich dies aus der Betriebsordnung ergibt oder dienstlich angeordnet ist – wie zum Beispiel bei Sicherheitskleidung oder bei einheitlicher beziehungsweise besonders auffälliger Dienstkleidung.
Wie ist es aber mit Reisezeiten?
Ob Reisezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit sind, hängt primär davon ab, ob die Reise zur arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht des Mitarbeiters zählt. Bei Montagearbeitern ist dies stets der Fall, bei Außendienstmitarbeitern immer dann, wenn die geschuldete Tätigkeit darin besteht, Kunden zu besuchen – sei es, um dort Dienstleistungen zu erbringen oder Geschäfte für den Arbeitgeber zu vermitteln oder abzuschließen. Beim Außendienstmitarbeiter gilt in diesem Fall auch die Fahrt vom Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück nach Hause als Arbeitszeit. Sie darf allerdings um die Zeit, die der Mitarbeiter andernfalls in sein Büro und zurück benötigt hätte, gekürzt werden.
Wie werden Dienstreisen vergütet?
Wenn der Arbeits- oder Tarifvertrag beziehungsweise eine Betriebsvereinbarung keine gesonderte Regelung enthält, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Reisezeiten als Arbeitszeit zu vergüten. Diese Vergütungspflicht knüpft dabei an das gesetzliche Weisungsrecht (§ 106 Gewerbeordnung) des Arbeitgebers an, das ihn zur Anordnung einer Dienstreise überhaupt erst legitimiert. Der Arbeitnehmer muss während einer Reise, auch bei Untätigkeit, letztlich dauernd anwesend sein und kann somit nicht frei über die Nutzung seiner Zeit verfügen.
Damit wird die angeordnete Dienstreise Teil der vergütungspflichtigen Arbeitsleistung, wobei der Vergütungsanspruch unmittelbar aus § 611a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) folgt. Es bedarf hierüber also weder einer gesonderten Vereinbarung, noch ist maßgeblich, ob nach den Umständen eine Vergütung zu erwarten war. Nachdem die Vergütungspflicht inzwischen auch bei Untätigkeit während der Reise gilt, besteht der Vergütungsanspruch auch für den Beifahrer oder bei Nutzung der Bahn.
In Abzug zu bringen sind bei längeren beziehungsweise mehrtägigen Dienstreisen die Pausen sowie Ruhens- und Schlafenszeiten, soweit diese dem Arbeitnehmenden während der Reise möglich sind. Ebenfalls nicht zu vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen die üblichen persönlichen Vorbereitungsarbeiten, wie das Packen des Koffers.
Auch ist der Arbeitnehmende regelmäßig verpflichtet, im Rahmen des ihm Zumutbaren die zeitlich kürzeste Reiseroute zu wählen, soweit ihm der Arbeitgebende hierzu keine Vorgaben macht.
Gilt dies auch für Auslandsreisen?
Muss ich eine Dienstreise antreten?
Fazit
Die Frage, ob Reisezeit auch Arbeitszeit ist und wie diese vergütet wird, lässt sich nicht abschließend eindeutig beantworten. Die Rechtsprechung zeigt, dass es auf die individuellen Umstände ankommt. Arbeitgebende und Arbeitnehmende sollten sich daher über die Frage, welche Tätigkeiten zur Arbeitszeit zählen und wie sie zu vergüten sind, im Vorfeld einig sein – gerade auch weil es gesetzliche Vorgaben wie das Arbeitszeitgesetz und das Mindestlohngesetz gibt.
Einzelvertraglich können – und sollten – die Arbeitsvertragsparteien Regelungen zu Dienstreisen treffen. Insbesondere kann die Höhe der Vergütung derjenigen Dienstreisezeiten, während derer der Arbeitnehmende nicht seiner eigentlichen Tätigkeit nachkommt, reduziert werden. Fehlt eine solche Regelung, gilt der reguläre Lohn als geschuldet. Auch bietet sich die Vereinbarung einer Auslösung an, mit der über den Zweck der Abgeltung von Unterkunfts- und Verpflegungsmehraufwand hinaus auch pauschal das Entgelt von Reisezeiten abgegolten wird.
Gastbeitrag
Dr. Waldhorn & Partner Rechtsanwälte mbB
Andreas Waldhorn, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Stand: 17.07.2023
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